Mehrstimmrechtsaktien - Gesetzesentwurf liegt vor

Welche Regeln gelten für die dual class shares?

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz sieht die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien vor - welche Regeln gelten?

Veröffentlicht am: 18.04.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Das neue Zukunftsfinanzierungsgesetz liegt endlich vor - wie angeündigt werden damit in Deutschland die sog. die Mehrstimmrechtsaktien eingeführt (wir berichteten). Doch für welche Regulierung und Umsetzung hat der Gesetzgeber sich nun entschieden? Wir beleuchten den Gesetzesentwurf im Detail. 

Gesetzesentwurf zur Zukunftsfinanzierung

Das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um und das Bun­des­jus­tiz­mi­nis­te­ri­um haben jetzt einen Re­fe­ren­ten­ent­wurf für ein Ge­setz zur Fi­nan­zie­rung von zu­kunfts­si­chern­den In­ves­ti­tio­nen vor­ge­legt.

Damit solle ins­be­son­de­re Start-ups sowie klei­nen und mitt­le­ren Un­ter­neh­men (KMU) als Trei­ber von In­no­va­ti­on der Zu­gang zum Ka­pi­tal­markt und die Auf­nah­me von Ei­gen­ka­pi­tal er­leich­tert wer­den.

Mehrstimmrechtsaktien eingeführt

Die Einführung der sog. Mehrstimmrechtsaktien (englisch: dual class shares) ist nur einer von vielen Punkten des Entwurfs. 

Unter dem Begriff "Mehrstimmrechtsaktien" (engl. "dual class shares") versteht man Aktien, die mehrere Stimmrechte für eine Aktie verbriefen. Damit ist sie eine sog. Vorzugsaktie. In Deutschland ist die Mehrstimmrechtsaktie derzeit gesetzlich verboten. Geregelt ist das in § 12 II des Aktiengesetzes (AktG). 

Vorteile der Dual Class Shares

Das soll nun geändert werden - insbesondere, um den deutschen Standort für Unternehmen attraktiver zu machen und die Aktiengesellschaft als Rechtsform attraktiver auch für Startups zu machen. 

Denn dual class shares erfüllen das Bedürfnis vieler Marktteilnehmer nach einer weitreichenderen Kontrolle über ihr Unternehmenauch nach einem Börsengang. So wollen insbesondere Gründer von Startups die wegweisenden Entscheidungen für ihr Unternehmen jedenfalls mittelfristig auch dann treffen, wenn ihr Unternehmen als Aktiengesellschaft an die Börse geht.

Inhalt des Gesetzes - welche Regeln gelten?

Dass Investoren trotzdem geschützt und Missbrauch vorgebeugt werden muss, darüber bestand indes bei der Regierung Einigkeit - nur wie die Mehrstimmrechtsaktien genau reguliert werden sollten, war bislang unklar. Der Entwurf beantwortet diese Fragen nun. Dabei sind vor allem folgende wichtige Regelungen hervorzuheben: 

1. Nur Namensaktien: Der Entwurf regelt, dass nur Namensaktien mit Mehrstimmrechten ausgestattet werden dürfen. Dies trägt, so die Gesetzesbegründung der Bundesregierung, unter anderem dem Gedanken Rechnung, dass Mehrstimmrechte nach dem Sinn und Zweck der Neuregelung gerade bestimmten Personen zustehen sollen, deren Einfluss auf die Ausrichtung und Strategie nach dem Willen der Gesellschafter gestärkt werden soll.

2. Vorschrift einer Höchstzahl von 10 Stimmen pro Aktie, zu denen eine Mehrstimmrechtsaktie im Vergleich zu einer Stammaktie berechtigen kann. Durch die Beschränkung soll sichergestellt werden, dass die Inhaber der Mehrstimmrechte für die Kontrolle zumindest einen relevanten Anteil am Gr undkapital halten müssen.

3. Einführung von Mehrstimmrechtsaktien erfordert Einstimmigkeit: Es ist ausgeschlossen, dass Mehrstimmrechte durch einen Beschluss mit ein- facher oder qualifizierter Mehrheit eingeführt werden könnten. Faktisch bedeutet dies zugleich, dass Mehrstimmrechte nur bis zum Börsengang eingeführt werden können, da an- schließend kaum die Zustimmung aller betroffenen Aktionäre erreicht werden kann.

4. Maximale Geltungsdauer von 10 Jahren: Vorgesehen ist, dass die Mehrstimmrechte auf den Zeitraum von zehn Jahren nach Börsengang befristet werden und anschließend ipso iure erlöschen („Sunset Clause“). Dadurch soll sichergestellt werden, dass Inhaber von Mehrstimmrech- ten nicht unbegrenzt eine asymmetrische Kontrolle über ein Unternehmen haben, dessen Anteile öffentlich gehandelt werden. Eine einmalige Verlängerung der Frist um weitere  zehn Jahre soll aber möglich sein.

5. Beendigung der Mehrstimmrechte nach Übertragung: Der Zweck der Mehrstimmrechte, ihnen auch nach dem Börsengang in der Wachstumsphase eine Kontrolle über die Unternehmensstrategie zu ermöglichen, entfällt laut Gesetzesbegründung bei Übertragung der Aktie. Die freie Handelbarkeit werde durch die Regelung nicht eingeschränkt. Der Begriff der Übertragung sei dabei weit zu verstehen und umfasse daher nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen, sondern auch alle Fälle gesetzlicher Einzel- oder Gesamtrechtsnachfolge.

Fazit: Neue Möglichkeiten im Aktienrecht für Investoren und Startups 

Die Änderung wird von der Branche überwiegend positiv aufgenommen - und wird seit detr Ankündigung der Reform bereits im Koalitionsvertrag seit Jahren sehnsüchtig erwartet. 

Denn durch die zunehmende Einführung von Mehrstimmrechtsaktien in anderen Ländern der Welt und einem allgemeinem Vormarsch der Erlaubnis auch in europäischen Nachbarländern ergab sich das Verbot im deutschen Aktienrecht zuletzt zunehmens als wirtschaftlicher Standortnachteil für Deutschland. 

Es bleibt, auf eine zügige Zustimmung und Umsetzung des Gesetzes zu hoffen. Diese könnte nicht zuletzt auch dem Engpass in der Finanzieurng der Startup-Szene gerade recht kommen...