Markenrecht vs. Kunstfreiheit

Hermès unterliegt im Streit mit Berliner Modelabel

Ein Berliner Modelabel inszeniert eine gesellschaftskritische Fashionshow, bei der die Models Kreationen tragen, die an Designs des Luxus-Labels Hermès erinnern. Hermès sieht hierin eine Markenrechtsverletzung. Für das LG Frankfurt a.M. überwiegt hingegen die Kunstfreiheit.

Veröffentlicht am: 16.10.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Kann die Nutzung charakteristischer Merkmale einer Marke durch ein anderes Unternehmen ausnahmsweise keine Markenrechtsverletzung darstellen? Ja, entschied das Landgericht Frankfurt am Main und verwies auf die Kunstfreiheit eines Berliner Modelabels - Landgericht Frankfurt am Main (Beschlüsse vom 19.09.2023 – 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23) .

 Verletzte Markenrechte von Her­mès?

Her­mès ist insbesondere als Hersteller von hochpreisigen Luxus-Handtaschen bekannt. Die Taschenmodelle mit ihrem charakteristischen Verschluss auf der Vorderseite waren nun auch wesentlicher Bestandteil der Kreationen des Berliner Modelabels Namilia. Das Label spiegelte charakteristische Merkmale der Handtaschen in verschiedenen Kleidungsstücken wider und zeigte diese Kreationen auf einer Fashionshow in Berlin. Auch über die sozialen Netzwerke verbreiteten sich Bilder und Videos der Fashionshow. Doch die unfreiwillige Werbung war nicht im Interesse von Hermès. Das Unternehmen ging wegen angeblicher Markenrechtsverletzungen gegen das Modelabel vor. Letztlich hatte nun das Landgericht Frankfurt am Main über den Markenrechtsstreit zu entscheiden.

Fashionshow als Gesellschaftskritik

Nach eigener Aussage wollte das Modelabel mit seinen Kreationen unter anderem auf weibliche Klischees hinweisen, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sogenannten „Sugar Daddys“ schenken ließen. Das Modelabel argumentierte gegen mögliche Markenrechtsverletzungen mit ihrer eigenen Kunstfreiheit.

Dieser Argumentation folgten auch die Richter in Frankfurt. Wie das Landgericht nun klarstellte, könne auch die Beschäftigung mit einer konkreten Marken von der Kunstfreiheit gedeckt sein. Wie so oft kommt es aber auch auf den Einzelfall und hier insbesondere auf die konkrete Darbietung der Kleidungsstücke an.

Keine Markenrechtsverletzung im Gesamtkontext

Auch hier hat sich das Landgericht nicht nur die Verwendung der charakteristischen Merkmale der Luxus-Handtaschen durch das Modelabel, sondern insbesondere auch die Inszenierung auf der Fashionshow angeschaut und bewertet. In der überspitzten gesellschaftlichen Darstellung des Labels würden Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche von Hermès erinnerten, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit tragen. Hierbei sei das Spiel zwischen pri­mitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbie­tung, erklärte die Kammer. Diese Inszenierung sei im Ergebnis von der Kunstfreiheit gedeckt.

Zudem stellte das Landgericht auch klar, dass Hermès als Marke nicht verunglimpft oder herabgesetzt werde. Vielmehr diene sie als ein gesellschaftlich angestrebter Be­zugspunkt von Luxusgütern. Es gehe nach Auffassung des Gerichts also weniger um die Marke Hermès an sich, sondern vielmehr um die gesamte Inszenierung.

Insgesamt könne sich Hermès nicht auf eine Verletzung des europäischen Markenrechts berufen. Es überwiegt die Kunstfreiheit des Modelabels.