Lieferkettengesetz: Welche Pflichten gelten ab 2023?
Verschiebung abgelehnt - was Geschäftsführer & Vorstände jetzt wissen müssen
Trotz Krise gelten ab Januar 2023 für deutsche Unternehmen neue Pflichten aus dem Lieferkettengesetz.
Eine Verschiebung des Lieferkettengesetzes wurde von der Entwicklungsministerin abgelehnt - welche Pflichten gelten für Unternehmen und Geschäftsführer nun ab Januar 2023 nach dem neuen Lieferkettengesetz?
Verschiebung abgelehnt - das neue Gesetz kommt 2023
Die FDP war es, die diese Woche eine Aussetzung des Lieferkettengesetzes aufgrund der aktuellen Energie- und Wirtschaftskrise gefordert hatte. Konkret wurde eine Verschiebung des Inkrafttretens ins Jahr 2023 gefordert. Insbesondere der FDP-Vize Vogel befürchtete "zusätzliche bürokratische Fesseln".
Dies lehnte indes die SPD-Entwicklungsministerin Schulze gestern Abend ab. Dabei verwies sie auch auf die entsprechenden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Das Lieferkettengesetz trete wie geplant in Kraft, so die Ministerin. Dabei wies sie darauf hin, dass Unternehmen, die bereits tätig geworden seien, um ihren Pflichten aus dem neuen Gesetz nachzukommen, andernfalls benachteiligt würden.
Hintergründe: Zweck des Lieferkettengesetzes
Das neue Gesetz, das mit vollem Namen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz heißt, wurde vom Bundestag im Juni 2021 beschlossen und tritt zum 01. Januar 2023 in Kraft.
Ziel des Gesetzes ist der Schutz von Menschenrechten in weltweiten Lieferketten: die Verletzung von grundlegenden Menschenrechten wie das Verbot von Kinderarbeit oder Zwangsarbeit soll unterbunden oder jedenfalls vereinfachter überprüfbar sein. Dafür sollen nun auch deutsche Unternehmer in die Verantwortung genommen werden.
TOP5: Pflichten aus dem Lieferkettengesetz
Die fünf zentralen Regelungen aus dem neuen Gesetz umfassen dabei insbesondere folgende Pflichten für größere Unternehmen:
- Sorgfaltspflichten der Unternehmen zur Überprüfung der gesamten Lieferkette, angefangen bei den einzelnen Rohstoffen bis hin zum Verkauf fertiger Produkte.
- Abgestufte Verantwortlichkeit aller Beteiligten eines Unternehmens je nach Einflussmöglichkeit auf Verursacher der Menschenrechtsverletzungen.
- Handlungspflicht bei eindeutigen Hinweisen auf schwere Verstöße.
- Externe Überprüfung durch Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (kurz: BAFA) mit weitgehenden Kontrollbefugnissen: Es kann etwa Geschäftsräume betreten, Auskünfte verlangen und Unterlagen einsehen sowie Unternehmen auffordern, konkrete Handlungen zur Erfüllung ihrer Pflichten vorzunehmen und dies durch die Verhängung von Zwangsgeldern durchsetzen. Solche Bußgelder können bis zu 8 Millionen Euro oder bis zu 2 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen.
- Beschwerdemöglichkeit für Betroffene beim Bundesamt sowie Klagemöglichkeit vor deutschen Gerichten.
Wichtig: Ab 2023 gilt das Gesetz zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, ab 2024 auch für Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten oder mehr.
Nachträglich ergänzte der Sozialausschuss zudem eine Geltung des Lieferkettengesetzes auch für ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland. Auch ausländische Mitarbeiter werden demnach in die Anzahl der Mitarbeiter mit eingerechnet.
Welche Sorgfaltsmaßnahmen müssen Geschäftsführer ergreifen?
Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten sind natürlich vor allem Geschäftsführer und Vorstände gefragt. Sie müssen insbesondere
- eine Risikoanalyse durchführen und Kontrollmaßnahmen einführen (eigene Kontrolle oderInanspruchnahme anerkannter Zertifizierungs- oder Audit-Systeme - nicht dagegen lediglich die Beauftragung Dritter!)
- Präventionsmaßnahmen ergreifen (z.B. die Aufnahme vertraglicher Menschenrechtsklauseln in die Verträge oder AGB oder Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen) sowie
- ein hinreichendes System zum Risikomanagement einrichten, das Vorkehrungen für den Fall von festgestellten Verstößen trifft (u.a. ein Beschwerdeverfahren sowie die Einführung von Dokumentations- und Berichtspflichten).
- Schließlich ist auch die Abgabe einer Grundsatzerklärung des Unternehmens empfehlenswert.
Dabei beziehen sich die Sorgfaltspflichten nicht nur auf den eigenen Betrieb, sondern auch auf unmittelbare Zulieferer des eigenen Unternehmens. Mittelbare Zulieferer dagegen sind von dem Gesetz nur betroffen, wenn sie "strategisch relevant" sind. Besonders betroffen sind laut Gesetzesbegründung von dem Gesetz insgesamt vor allem Unternehmen, die Waren aus dem außereuropäischen Ausland importieren.
Auf der Webseite des BAFA können Unternehmen dabei weitergehende Informationen finden und um Unterstützung bei der Umsetzung der Pflichten bitten.
Welche Menschenrechte werden geschützt?
Das Lieferkettengesetz enthält einen Katalog von insgesamt elf Menschenrechtsübereinkommen, aus denen schützenswerte essenzielle Menschenrechtsgüter abgeleitet werden sollen.
Dazu gehören unter anderem die Verbote von Kinderarbeit, Sklaverei und Zwangsarbeit, die Missachtung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die Vorenthaltung eines angemessenen Lohns, die Missachtung des Rechts, Gewerkschaften bzw. Mitarbeitervertretungen zu bilden, die Verwehrung des Zugangs zu Nahrung und Wasser sowie der widerrechtliche Entzug von Land und Lebensgrundlagen.
Kritik: Rechtsunsicherheit für Unternehmen?
Kritiker des Lieferkettengesetzes bemängeln vor allem viele unbestimmte Rechtsbegriffe in dem neuen Gesetz, die für die Betroffenen zu großer Rechtsunsicherheit und damit verbunden einem allgemein erhöhten Haftungsrisiko von Geschäftsführern führen sollen. Auch erfordert das neue Gesetz natürlich einigen bürokratischen Aufwand: neben der Schaffung interner Compliance Systeme wird wohl für Unternehmen mit ausländischen Zulieferern eine Anpassung aller Verträge und die Ergänzung ihrer AGB notwendig sein.
Aber es wurden auch vermehrt Stimmen laut, denen die Geltung des Lieferkettengesetzes nicht weit genug geht. So seien nur 0,1 Prozent der deutschen Unternehmen überhaupt betroffen. Auch ein neuer zivilrechtlicher Haftungstatbestand wurde entgegen diverser Forderungen explizit nicht geschaffen, ebenso wenig die Möglichkeit als Kollektiv oder Verband zu klagen und die Rechte Betroffener dadurch effektiv durchzusetzen.
Kritik an Wettbewerbsnachteilen in der EU dagegen dürfte mittlerweile hinfällig sein, da inzwischen auch eine entsprechende Richtlinie auf europäischer Ebene verabschiedet wurde. Dementsprechend dürften andere europäische Länder bald nachziehen und für ein einheitliches Schutzniveau in der Europäischen Union sorgen.