HOAI-Preisrahmen - der Dauerbrenner
EuGH zur Anwendung zwischen Privatpersonen
Nationale Gerichte müssen nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet sein, deutsche Regelungen unangewendet zu lassen.
In seiner Grundsatzentscheidung vom 18.01.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Unionsrecht die Anwendung des verbindlichen Preisrahmens der HOAI zwischen Privaten nicht ausschließt. (EuGH, Urt. v. 18.01.2022 – C-261/20) Als Begründung führt der EuGH an, dass sich eine Richtlinie der Europäischen Union in gleicher Weise wie ein Vertragsverletzungsurteil durch den EuGH nur an den jeweiligen Mitgliedstaat richte, aber dem Einzelnen keine Verpflichtungen auferlegen könne.
Verbindlicher Preisrahmen aus Mindest- und Höchstsätzen europarechtswidrig
Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) in ihrer Fassung 2013 sah in § 7 HOAI einen verbindlichen Preisrahmen aus Mindest- und Höchstsatz vor. Sofern Vergütungsvereinbarungen außerhalb dieser Sätze lagen, waren diese nichtig und wurden durch den Mindestsatz (bei Unterschreitung) oder Höchstsatz (bei Überschreitungen) ersetzt. Mit dem Vertragsverletzungsurteil vom EuGH im Jahr 2019 (Urt. v. 14.07.2019 – C-377-17) wurde jedoch entschieden, dass die Regelung in § 7 HOAI gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstößt. Aus diesem Grund hat der deutsche Gesetzgeber mit der HOAI 2021 den verbindlichen Preisrahmen der HOIA für alle ab dem 01.01.2021 geschlossenen Verträge abgeschafft. Damit blieb jedoch noch die entscheidende Frage offen, ob und wie lange der verbindliche Preisrahmen für vor dem 01.01.2021 abgeschlossene Verträge weiterhin angewendet werden darf. Diese Frage legte der BGH nunmehr im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH vor. (BGH, Beschluss v. 14.05.2020 – VII ZR 174/19)
Anwendung durch deutsche Gerichte bleibt möglich
Dieser kam zu dem Entschluss, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, nicht allein aufgrund des Unionsrechts verpflichtet ist, diese deutsche Regelung unangewendet zu lassen. Vielmehr können deutsche Gerichte die verbindlichen Preisrahmen der HOAI bei Streitigkeiten zwischen Privaten weiterhin anwenden. EU-Vorgaben entfalten keine unmittelbare Wirkung für den Einzelnen, sondern sind eine Anweisung an den jeweiligen Mitgliedsstaat. Durch die fehlerhafte Umsetzung der EU-Vorgaben in der HOAI soll der Geschädigte allerdings nach dem EuGH den unmittelbar hierauf beruhenden Schaden von der Bundesrepublik Deutschland ersetzt verlangen können.
Mit diesem Urteil ist davon auszugehen, dass die deutschen Gerichte bei Streitigkeiten über alle vor dem 01.01.2021 geschlossenen Verträge die inzwischen abgeschafften verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI 2013 weiterhin anwenden werden.