Gesetzesentwurf zur Änderung des Arbeitszeitengesetzes
Stechuhr für alle – oder doch nicht?
Gesetzesentwurf zur Zeiterfassung bei der Arbeit liegt vor.
Habemus Entwurf: der für Ende März 2023 angekündigte Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) zur Änderung des Arbeitszeitengesetzes liegt vor.
Vorgaben der EU zur Arbeitszeiterfassung
Eine kurze Einleitung: der Europäische Gerichtshof hat im Jahr 2019 entschieden, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist die Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer zu erfassen (EuGH, Urt. v. 14. Mai 2019, Az. C-55/18). Diese Entscheidung wurde vom BAG so ausgelegt, dass diese Pflicht seit dem 13.09.2023 – ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage – auch in Deutschland gilt. Dies unter anderem auch für Arbeitsverträge, die einer anderen Rechtsordnung unterliegen (z.B. im öffentlichen Recht).
In dem aktuellen Gesetzesentwurf sollen nun Regelungen zur Aufzeichnung der Arbeitszeit geschaffen werden. Grund genug diesen Entwurf unter die Lupe zu nehmen.
Umsetzung in deutsches Arbeitsrecht
Durch vorgelegten Referentenentwurf des BMAS soll die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gesetzlich normiert werden.
Bislang hat das BAG die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus den Grundpflichten des Arbeitgebers zum Arbeitsschutz nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz herausgelesen. Nun soll § 16 Arbeitszeitengesetz geändert werden und Grundlage für die folgenden Änderungen des Arbeitsrechts sein.
Zeiterfassung, aber wie genau?
Dies war die spannende Frage für die Praxis – wie sollen Arbeitgeber die Zeit der Mitarbeiter erfassen? Und was bedeutet „Arbeitszeit“ konkret?
- Der Arbeitgeber soll zunächst Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer elektronisch in deutscher Sprache aufzeichnen (hier haben wir eine Analogie zum MiLoG, später noch dazu).
- Diese Aufzeichnung muss bereits am Tag der Arbeitsleistung erfolgen.
- Nach der Gesetzesbegründung werden unter dem Begriff „elektronisch“ nicht nur gängige Zeiterfassungstools und -apps verstanden, sondern auch Tabellenkalkulationsprogramme. Das bedeutet, auch eine Zeiterfassung mittels MicrosoftExcell dürfte weiterhin zulässig sein.
- Die Aufzeichnung der Arbeitszeit kann durch den Arbeitgeber erfolgen, aber auch an den Arbeitnehmer oder einen Dritten delegiert werden. In der Verantwortung bleibt jedoch stets der Arbeitgeber.
Die Aufzeichnungen der Arbeitszeit sind für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, längstens jedoch für zwei Jahre aufzubewahren.
Vertrauensarbeitszeit weiter möglich?
Die Übertragbarkeit der Aufzeichnungspflicht auf die Arbeitnehmenden wird insbesondere bei der Vertrauensarbeitszeit relevant.
Es ist vorgesehen, dass der Arbeitgeber bei Vertrauensarbeitszeit sicherstellen muss, dass ihm Verstöße gegen die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.
Folgen bei Verstoß durch den Arbeitgeber
Konsequenz bei Nichtbeachtung der Arbeitszeiterfassung soll laut dem Entwurf des BMAS das Begehen einer Ordnungswidrigkeit sein, die eine Geldbuße von bis zu 30.000 € nach sich ziehen kann.
Nicht geklärt wurde, ist die Frage was „Arbeit“ und „Arbeitszeit“ konkret bedeuten. Hier gibt es noch sehr viele offenen Fragen und eine angemessene Definition wäre wohl zu begrüßen.
Wer ist von der Regelung betroffen?
Die Regelung soll zunächst für alle Arbeitgeber gelten. Ausgenommen von der Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung sollen Arbeitgeber mit bis zu zehn Arbeitnehmern sein.
Daneben besteht die Möglichkeit in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung zuzulassen, dass die Aufzeichnung nicht in elektronischer Form zu erfolgen braucht.
Ferner könne per Tarifvertrag geregelt werden, dass die Aufzeichnung an einem anderen Tag, als dem Arbeitstag erfolgen kann, spätestens aber nach sieben Tagen.
Schließlich soll in einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung auch die Herausnahme bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern, nämlich von Führungskräften und „herausgehobenen Experten“ aus der Aufzeichnungspflicht ermöglicht werden.
§ 18 ArbZG wird nicht geändert; somit findet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung keine Anwendung für leitende Angestellte, Chefärzte usw.
Übergangszeitraum beachten
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form soll erst ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmenden verlängert sich diese Übergangsregelung auf zwei Jahre, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmenden auf fünf Jahre.
Fazit: Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Es kommt die uneingeschränkte Pflicht zur Arbeitszeiterfassung auf elektronischem Wege für (fast) alle Arbeitgeber! Die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung wird von großer Wichtigkeit für Unternehmen sein, denn Verstöße hiergegen sind mit hohen Bußgeldern beschwert.
Ansonsten handelt es sich um keine Revolution im Arbeitsrecht. Der Entwurf ist im Wesentlichen eine Umsetzung der Vorgaben des BAG und des EuGH. Eine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit besteht ohnehin schon.
Es bleibt noch abzuwarten, wie sich das Thema entwickeln wird und wie der endgültige Gesetzestext aussehen wird. Man kann davon ausgehen, dass in den nächsten Tagen viele Stellungnahmen der Gewerkschaften, Branchenverbänden und Arbeitgeberverbänden, Juristen eingehen.
Verbesserungen kann es zum Beispiel bei der Definition der zu erfassenden Arbeitszeit oder auch bei der Pflicht, nur die deutsche Sprache anzuwenden, geben – hiermit wird sich wohl der EuGH beschäftigen (müssen).
Der Entwurf könnte zeitnah verabschiedet werden, vorgesehen ist das Inkrafttreten im Quartal nach der Verkündung, möglicherweise also schon im Juli 2023.