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ebay-Abbruchjäger im Visier der Rechtsprechung
ebay-Abbruchjäger im Visier der Rechtsprechung
Ein Gastbeitrag von Fiona Schönbohm
Frischer Wind im eCommerce-Recht durch eine Serie von ebay-Entscheidungen des BGH! In den letzten Jahren ist der Bundesgerichtshof immer wieder damit beschäftigt, die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Vertragsschlusses bei ebay zu definieren. Das Einstellen eines Inserats ist für den Anbieter grundsätzlich rechtlich bindend. Bei frühzeitiger Beendigung ohne rechtlichen Grund kann das zu sagenhaften Schnäppchen für die kurzfristig Höchstbietenden führen. Aber ist ein Porsche für 5 Euro nicht zu viel des Guten?
Vertragsschluss und Bindungswirkung des Inserats
Der BGH entschied schon früh: trotz der missverständlichen Formulierung handelt es sich bei einer ebay-„Auktion“ keinesfalls um eine Auktion im Rechtssinne (§ 156 BGB), da der Kaufvertrag nicht durch den Zuschlag eines Auktionators, sondern durch Zeitablauf mit dem Höchstbietenden zustande kommt.
Dabei bestimmen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay, dass in dem Einstellen des Inserats bereits ein verbindliches Angebot liegt, an das der Anbieter grundsätzlich gebunden ist. Anders, wenn für ihn ausnahmsweise ein berechtigtes Rücknahmeinteresse spricht, etwa weil der inserierte Gegenstand gestohlen oder beschädigt wurde.
Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gelten diese AGB nicht nur im Verhältnis des jeweiligen Nutzers und ebay, sondern auch zwischen Käufer und Verkäufer selbst. Der BGH entschied zwar, dass diese Bindungswirkung grundsätzlich individuell ausgeschlossen werden kann. Ebay löscht Konten mit entsprechenden Zusätzen aber regelmäßig innerhalb kürzester Zeit wegen Verstoßes gegen eben diese AGB.
Vorzeitige Beendigung einer Auktion
Wird eine Auktion also vorzeitig ohne hinreichenden Grund beendet, kommt der Kaufvertrag grundsätzlich mit dem derzeit Höchstbietenden zustande. Hier sind Rechtsstreitigkeiten natürlich vorprogrammiert.
Für Berühmtheit sorgte ein Fall vor dem Landesgericht Koblenz im Jahr 2008. Der Anbieter eines Porsche 911 Carrera beendete die Auktion frühzeitig nach nur acht Minuten, weil ihm bei Einstellen des Intersats ein Fehler unterlaufen sei. Zu dieser Zeit betrug das höchste Gebot 5,50 Euro. Als der Inhaber sich weigerte, das Auto zu diesem Preis zu verkaufen, klagte der Höchstbietende auf Schadensersatz in Höhe des objektiven Wertes des Fahrzeugs: 75.000 Euro.
Das Ende von Treu und Glauben
Ähnliche Fälle landen immer wieder vor den deutschen Gerichten. Ob der Vertrag tatsächlich in dieser Höhe zustande kommt oder nicht, war lange umstritten. Das Oberlandesgericht Koblenz verneinte einen Anspruch des Bieters unter Rückgriff auf die Notbremse des Zivilrechts: Verstoß gegen Treu und Glauben. Der Kläger sei nicht schutzwürdig, wenn zwischen dem objektiven Wert der Sache und Gebot eine derart große Diskrepanz liege.
Er könne nicht berechtigterweise darauf vertrauen, den Wagen zu einem solchen Preis tatsächlich zu erstehen. Ähnlich urteilte auch das Amtsgericht Hamburg St.-Georg noch Anfang 2014 für ein Gebot in Höhe von 12,50 Euro für einen VW Golf 4 im Wert von 2.000 Euro.
Das Wesen eines Schnäppchens
Im selben Jahr aber trat der BGH dieser Rechtsauffassung entgegen. Im konkreten Fall sprach er einem Kläger aus Thüringen einen VW Passat im Wert von über 5000 Euro zum Kaufpreis von 1 Euro zu. Insbesondere verstoße der Vertrag weder gegen die guten Sitten, noch gegen Treu und Glauben.
Vielmehr mache es gerade den Reiz und das Wesen einer Internetauktion aus, dass man dort außergewöhnliche „Schnäppchen“ machen könne, so die Richter. Immerhin habe der Verkäufer durchaus die Möglichkeit, ein Mindestgebot in beliebiger Höhe festzulegen. Tue er dies nicht, um mit dem niedrigen Startpreis Interessenten anzulocken, müsse er das Risiko einer Versteigerung unter Wert auch tragen.
Abbruchjäger unterwegs
Diese Rechtsprechung ließ in der Bundesrepublik innerhalb kürzester Zeit das Geschäftsmodell sogenannter „Abbruchjäger“ entstehen. Diese bieten systematisch einen geringen Betrag auf diverse Auktionen unmittelbar nach ihrer Eröffnung und spekulieren auf eine frühzeitige unberechtigte Beendigung des Inserats, um anschließend auf Erfüllung des Vertrages oder Schadensersatz zu klagen. Unterinstanzlich wurde diese Taktik immer wieder als rechtsmissbräuchlich verurteilt.
Eine Entscheidung des BGH bleibt abzuwarten
Der BGH schlug die Gelegenheit, hierzu Stellung zu beziehen, aber just noch aus. Eine entsprechende Klage wies er kürzlich wegen Unzulässigkeit mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin zurück. Allerdings ließ er in seiner Entscheidung durchblicken, die Praxis könne unter Umständen rechtsmissbräuchlich sein. In der Realität der Gerichtssäle wird es wohl dagegen häufig darum gehen, überhaupt beweisen zu können, dass der Anspruchsteller systematisch und spekulativ geboten hat, ohne eigentliches Interesse an dem Kaufgegenstand selbst.
Rechtsdogmatisch liegt ein Rechtsmissbrauch der Abbruchjäger wohl nahe. Wer vorsätzlich auf den Schadensersatzanspruch wegen vorzeitigem Abbruch spekuliert, ohne tatsächlich Interesse an der Erfüllung des Vertrages zu haben, wird sich auf sein Vertrauen nicht berufen können. Welche Kriterien für mangelndes Vertrauen sprechen, wird der BGH ja vielleicht in seiner Urteilsbegründung zu obigem Fall noch anreißen. Diese ist nämlich noch nicht veröffentlicht. Es bleibt also spannend.
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