Gilt bei Bewerbung über Ebay-Chatfunktion das AGG?
Mann wird als Sekretärin abgelehnt – bekommt er Entschädigung?
Greift das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), wenn ein Mann bei einer Bewerbung über die Chatfunktion von Ebay-Kleinanzeigen als Sekretärin vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird? Kann er eine Entschädigung verlangen? Mehr dazu in diesem Beitrag...
Mittlerweile ist es geläufig, dass Arbeitgeber auch Stellenanzeigen über Internetplattformen wie Ebay-Kleinanzeigen oder LinkedIn schalten. Wie der Bewerbungsprozess dann abgehandelt wird, ist individuell. So kommt es allerdings ab und an vor, dass Bewerber sich direkt über die Chatfunktion des jeweiligen Portals bewerben.
Aber was passiert, wenn sich ein Mann auf ein Gesuch nach einer Sekretärin bewirbt? Darf er aufgrund seines Geschlechtes abgelehnt und vom Bewerbungsprozess ausgeschlossen werden? Wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein dazu vor dem Hintergrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) entschieden hat, schauen wir uns im Folgenden einmal genauer an (LAG Schlesweig-Holstein, Urteil vom 21.06.2022 – 2Sa 21/22).
Darf Mann sich als Sekretärin bewerben?
Ein Mann war auf Ebay-Kleinanzeigen auf folgende Stellenanzeige gestoßen:
„Sekretärin gesucht! Beschreibung: Wir suchen eine Sekretärin ab sofort. Vollzeit/Teilzeit. Es wäre super, wenn Sie Erfahrung mitbringen…“
Kurzerhand bewarb er sich direkt über die Chatfunktion des Internetportals auf die veröffentlichte Stelle. Das Unternehmen lehnte seine Bewerbung jedoch mit der Begründung ab, dass sie ausschließlich „eine Dame als Sekretärin“ suchten und er als Mann deshalb beim Bewerbungsprozess nicht weiter berücksichtigt werden könne.
Bewerber müssen lediglich identifizierbar sein
Der Mann fühlte sich seines Geschlechtes wegen diskriminiert und forderte daraufhin drei Bruttomonatsgehälter als Entschädigung für die abgelehnte Bewerbung. Voraussetzung dafür sei, dass er als Bewerber im Sinne des AGG gelte. Die Richter des LAG Schleswig-Holstein bejahten dies.
Wer auf Ebay eine Stellenanzeige veröffentlicht, müsse damit rechnen, dass sich Interessierte direkt über die Chatfunktion des Online-Marktplatzes bewerben und ihre Bewerbung nicht auf klassischem Wege schriftlich und inklusive Unterlagen einreichen. Auch gibt es kein gesetzliches Erfordernis, welches vorschreiben würde, dass Bewerber ein Mindestmaß an Angaben zur eigenen Person machen müssten.
Das einzige Erfordernis laut LAG sei, dass der konkrete Bewerber anhand seiner Bewerbung identifizierbar ist. Damit ist auch eine Bewerbung über die Chatfunktion eine Bewerbung im Sinne des AGG und Bewerber können vor Diskriminierung geschützt werden. Das gilt sowohl für die Chatfunktion auf Ebay als auch auf Plattformen wie LinkedIn oder anderen Portalen, in denen per Ausschreibung nach Mitarbeitern gesucht wird.
7.800 EUR Entschädigung für Diskriminierung nach AGG
Voraussetzung für eine Entschädigung ist eine Diskriminierung im Sinne des AGG. Diskriminierungen liegen vor, wenn wegen eines Grundes aus § 1 AGG eine Benachteiligung oder Belästigung im Sinne des § 3 AGG gegeben ist. Eine nicht erlaubte Diskriminierung liegt vor allem aus Gründen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder des Alters vor.
Aus dem Anzeigentext sowie der Antwort des Arbeitgebers sei eindeutig, dass der Bewerber aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden ist. Entsprechend § 15 Abs. 2 AGG stehe ihm danach eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern zu.
Dieses Bruttomonatsgehalt wird am üblichen Gehalt für die Position in der entsprechenden Gegend festgemacht. Das übliche Monatsgehalt einer Sekretärin aus dem Hamburger Umland liege bei 2.700,00 EUR, sodass der Mann eine Entschädigung in Höhe von 7.800 EUR vom Unternehmen verlangen konnte.
Bewerbung eines Mannes als Sekretärin rechtsmissbräuchlich?
Der Einwand seitens des Unternehmens, dass die Bewerbung des Mannes rechtsmissbräuchlich sei, wurde von den Richtern abgelehnt. Denn an Rechtsmissbräuchlichkeit seien hohe Anforderungen zu stellen. Etwaige besondere Umstände, die dafürsprechen würden, konnte das Unternehmen nicht vorbringen.
Rechtsmissbräuchliche Bewerbungen zeichneten sich beispielsweise dadurch aus, dass bereits aus dem Bewerbungsschreiben hervorgehe, dass der Bewerber gar nicht daran interessiert ist, den ausgeschriebenen Job zu erhalten. Dies sei unter anderem der Fall, wenn Bewerber keinerlei Qualifikationen anführen oder ihre Einstellung einen deutlichen Mehraufwand für den Arbeitgeber bedeuten würde (Forderung einer Wohnung in Arbeitsplatznähe), sodass man von einer provozierten Absage sprechen könne.