Ausschluss von Gesellschaftern in der Venture Capital-Praxis
OLG München setzt Ausschluss von Gesellschaftern enge Grenzen
OLG München setzt Ausschluss von Gesellschaftern enge Grenzen
Ein Beitrag von Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg
Venture Capital-Investoren versuchen ihre Investitionen durch komplexe Vertragsstrukturen im VC-Beteiligungsvertragabzusichern. Kommt es im Gesellschafterkreis zu größeren Streitigkeiten oder will ein am Equity beteiligter Manager sein Geschäftsführeramt niederlegen, sollen Hinauskündigungsmechanismen eine vollständige Trennung von opponierenden Gesellschaftern ermöglichen.
Verbot der Hinauskündigung in der Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof hat schon bevor Venture Capital in Deutschland Fuß gefasst hat, der Hinauskündigung von Gesellschaftern in einer GmbH enge Grenzen gesetzt. Heute gibt es zum Verbot der grundlosen Hinauskündigung eine tradierte Rechtsprechung, die die Venture Capital-Beteiligungspraxis beeinflusst.
Neuerdings hat sich das OLG München in seinem Urteil vom 13.05.2020 (7 U 1844/19) mit der in der Praxis relevanten Frage beschäftigt, wann ein Gesellschafter auf der Grundlage einer Vereinbarung im Beteiligungsvertrag ausgeschlossen werden kann. Das Gericht hat dem sogenannten Manager-Modell, in dessen Rahmen der BGH einen Gesellschafterausschluss zulässt, enge Grenzen gesetzt.
Shout out-Vertragspraxis
Gesellschafter können in einer GmbH zwangsweise auf verschiedene Weise ausgeschlossen werden. Allen Zwangsmaßnahmen ist gemein, dass der Ausschluss eines Gesellschafters oder eine Gruppe von Gesellschaftern gegen den Willen der betroffenen Gesellschafter erfolgt. Für die verlorene Gesellschaftsbeteiligung erhalten die ausgeschlossenen Gesellschafter einen Abfindungs- oder einen Kaufpreisanspruch.
In der Venture Capital Praxis kommen sehr oft sogenannte Call Option-Modelle zum Einsatz. Danach verliert ein Gesellschafter – mitunter sogar ohne Gesellschafterbeschluss – seine Beteiligung, wenn bestimmte aufschiebende Bedingungen eintreten und Optionen von Investoren oder Mitgesellschaftern ausgelöst werden. In Beteiligungsverträgen werden sehr oft für den Fall der vorzeitigen Beendigung der Geschäftsführerposition zugunsten der VC-Investoren Shout out-Mechanismen normiert. Danach verliert ein Gesellschafter seine Startup-Beteiligung, wenn er sein Geschäftsführeramt niederlegt oder seinen Geschäftsführervertrag kündigt.
In manchen Fällen werden solche Call Option-Modelle durch Einziehungs-Systeme gestützt. Mit einer zwangsweisen Einziehung lassen sich Gesellschaftsbeteiligungen zerstören. Die betroffenen Gesellschafter verlieren ihre Beteiligung danach nicht durch eine Zwangsübertragung, sondern durch die Zerstörung der GmbH-Geschäftsanteile. Die Zwangseinziehung setzt aber immer einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus.
Das Manager-Modell des BGH
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH sind Hinauskündigungsregelungen nach § 138 BGB nichtig, wenn sie dazu führen, dass Gesellschafter sachgrundlos aus einer Gesellschaft ausgeschlossen werden können. Dabei ist unerheblich, ob diese Hinauskündigungsregelungen im Gesellschaftsvertrag oder im Beteiligungsvertrag vereinbart werden.
Allerdings erkennt der BGH Ausnahmen von der Nichtigkeit der Hinauskündigung an: Ein wichtiger Ausnahmefall stellt das Manager-Modell dar. Das Gericht bejahte eine Hinauskündigung eines Gesellschafter-Geschäftsführers, der eine ca. 10 %-ige Beteiligung verfügte. Diese wurde ihm zum Nominalwert verkauft und sollte ihn als Manager des Unternehmens über eine Gewinnbeteiligung incentivieren. Das Unternehmen hat die Gewinne auch vollständig ausgeschüttet.
In diesem Fall konnte der Mehrheitsgesellschafter - nach Auffassung des BGH - dem Manager die Gesellschaftsbeteiligung entziehen, als er sein Geschäftsführeramt aufgab. Der BGH wertete die Gesellschaftsbeteiligung selbst nur als „bessere“ Tantieme. Insbesondere konnte der Geschäftsführer im entschiedenen Fall mit seiner Beteiligung in der Gesellschafterversammlung nie eine eigene Position gegenüber dem Mehrheitseigner durchsetzen.
OLG München verhindert Hinauskündigungen
Mit seiner neuen Entscheidung vom 13.05.2020 orientiert sich das OLG München streng an den Vorgaben des BGH. Es will eine Hinauskündigung ermöglichen und damit das Vorliegen eines Manager-Modells nur bejahen, wenn der betroffene Gesellschafter eine niedrige Beteiligung eingeräumt bekommen hat und eine Beteiligungsstruktur vorliegt, die dem betroffenen Gesellschafter keinen unternehmerischen Einfluss erlaube. Wer als Gesellschafter Risiken übernehme und maßgebliches Kapital für die Beteiligung aufbringe, besäße ein „normales Investment“, das ihm nicht sachgrundlos entzogen werden dürfte – so im Ergebnis das OLG München.
Im vorliegenden Fall verfügte der Geschäftsführer über eine 25 %-ige Beteiligung, für die er über den Nennwert hinaus über EUR 290.000,00 in die Kapitalrücklage eingezahlt hat. Da an der GmbH insgesamt 17 Gesellschafter beteiligt wurden, besaß der hinausgekündigte Gesellschafter mit seinen 25 % einen beachtlichen unternehmerischen Einfluss.
Anders als bei dem vom BGH entschiedenen Manager-Modell stellte nach Meinung des OLG München die Beteiligung des betroffenen Gesellschafters keinen bloßen Annex zu seiner Geschäftsführungstätigkeit dar. Ihm wurde die Beteiligung gerade nicht als reines tantiemeähnliches Instrument eingeräumt und könne ihm daher auch nicht sachgrundlos entzogen werden.
Urteilsanalyse und Fazit
Das Urteil des OLG München, das für das Manager-Modell sehr enge Grenzen zieht, hat eine große Bedeutung für Hinauskündigungsklauseln in GmbH-Gesellschaftsverträgen, Beteiligungsverträgen und Gesellschaftervereinbarungen.
Insbesondere im Private Equity- und Venture Capital-Beteiligungsgeschäften finden sich unterdessen extensive Hinauskündigungsklauseln, die mit der neuen OLG München-Rechtsprechung kollidieren. Spätestens nach diesem Urteil, das die Hinauskündigungsmöglichkeit stark begrenzt, müssen die vertraglich vereinbarten „freien Ausschließungsmöglichkeiten“ auf den Prüfstand.
Insbesondere bei Hinauskündigung, die mit Bad Leaver-Abfindungsklauseln verbunden sind, die die Abfindungszahlungen weit unter Verkehrswert ansiedeln, werden betroffene Gesellschafter vermehrt die Opposition suchen und bereits gegen die Hinauskündigungen gerichtliche Schritte einleiten. In der Corporate Litigation-Praxis ist zu beobachten, dass eine Gegenwehr gegen die Ausschließung selbst bereits die Preise bei der Abfindung hochtreibt. Darauf muss sich die VC- und PE-Praxis einstellen. SchnelleAusschließung für kleines Geld ist gesellschaftsrechtlich in Deutschland nur begrenzt möglich – bis der BGH die Hinauskündigungsmöglichkeit erweitert.