Warum steht Amazon unter verschärfter Wettbewerbsaufsicht?

Bundeskartellamt behält Online-Marktplatz im Visier

Wieso Amazon laut Bundesgerichtshof ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung ist und welche kartellrechtlichen Folgen das für den Online-Marktplatz hat, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 08.05.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Das Verfahren des Bundeskartellamts (BKartA) gegen Amazon fand kürzlich ein Ende, als der Bundesgerichtshof erklärte, dass Amazon ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb sei (BGH, Beschluss vom 23.04.2024 – Az. KVB 56/22).

Damit bestätigten die Karlsruher Richter die Entscheidung des Bundeskartellamts vom Juli 2022, dass Amazon aufgrund seiner überragenden marktübergreifenden Stellung unter verschärfte Beobachtung gestellt werden muss. Amazon legte damals dagegen eine Kartellverfahrensbeschwerde ein, die somit vor dem BGH gescheitert ist.

Auch vom Bundesgerichtshof wurde nun offiziell eine verschärfte Wettbewerbsaufsicht angeordnet.

Was bedeutet das für den E-Commerce Giganten Amazon?

Amazon hat überragende marktübergreifende Stellung

Der Bundesgerichtshof bestätigte mit seinem Beschluss die Einstufung des Bundeskartellamtes, dass Amazon ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung sei. Begründet haben die Richter diese Entscheidung unter anderem damit, dass Amazon nicht nur im E-Commerce tätig sei, sondern darüber hinaus auch als Einzelhändler fungiere, mit Amazon Web Services IT-Dienstleistungen anbiete sowie ein eigenes Logistikunternehmen führe.

Darüber hinaus wurden vom zuständigen Kartellsenat wirtschaftliche Kennzahlen des Unternehmens, beispielsweise die Marktkapitalisierung in Milliardenhöhe, im Rahmen der Beurteilung herangezogen. Außerdem verfüge Amazon über einen überragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten, darunter Kundendaten, Nutzerdaten sowie Daten aus dem Betrieb der verschiedenen Handels- und Werbeplattformen.

Aufgrund der Schlüsselposition Amazons – nicht nur, aber insbesondere im E-Commerce – habe das Unternehmen die Möglichkeit, die Vertriebstätigkeit von Dritthändlern maßgeblich zu beeinflussen.

Kartellbehörde kann missbräuchliche Geschäftspraktiken verbieten

Nachdem der Online-Marktplatz infolge des Beschlusses des BGH als Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung eingeordnet wurde, kann das Bundeskartellamt auf Grundlage des § 19a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Zukunft potenziell missbräuchliche Geschäftspraktiken von Amazon einfacher verbieten.

Beispielsweise könnte die Kartellbehörde

  • Selbstbevorzugung verbieten, wenn der Online-Marktplatz seine eigenen Produkte (zB „Amazon Basics“) in den Suchergebnissen weiter oben anzeigt als vergleichbare Produkte von Konkurrenten
  • Geschäftspraktiken verbieten, durch die Amazon großen Einfluss auf neuen Märkten nimmt, auf denen das Unternehmen noch keine marktbeherrschende Stellung hat
  • verbieten, dass Amazon in Anbetracht der marktbeherrschenden Stellung seine Datenmacht ausnutzt

Wegweisende Entscheidung für künftige Wettbewerbsstreitigkeiten?

Auf Seiten des Bundeskartellamts erhofft man sich infolge dieser Entscheidung des BGH auch in anderen laufenden oder zukünftigen Verfahren gegen Amazon, Alphabet (Google), Apple, Meta (Facebook) und Microsoft einen positiven Ausgang im fairen Umgang zwischen Wettbewerbern und mit Verbrauchern.

10 Millionen EUR Kartellstrafe für Amazon

Diese Geldstrafe wurde dem Unternehmen von der italienischen Kartellbehörde aufgrund von unlauteren Geschäftspraktiken auferlegt. Auch dort wirft die Wettbewerbsaufsicht in Zukunft ein strenges Auge auf Amazon.

Begründet wurde dies damit, dass auf der italienischsprachigen Version des Plattformbetreibers bei einer Großzahl der Angebote die Option „regelmäßig kaufen“ anstelle von „einmalig kaufen“ voreingestellt sei. Dies stelle eine unzulässige Beschränkung der Wahlmöglichkeiten des Verbrauchers dar.

Weitere Informationen zum Kartellrecht finden Sie hier: Kartellrecht – Kartell, Monopol, Marktbeherrschung