Streit in GbR, OHG und KG

Anwesenheit in der Gesellschafterversammlung ist Pflicht!

Steht ein Gesellschafterstreit ins Haus, sind auch die streitigen Gesellschafterversammlungen nicht weit entfernt. Anders als oft gedacht, muss Mann und Frau sich dafür wappnen.

Veröffentlicht am: 18.10.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin, Corporate
Lesedauer:

Streitige Gesellschafterversammlungen sind für alle Beteiligten ein Minenfeld. Es gibt eine schier unglaublich große Zahl an Kleinigkeiten, deren Nichtbeachtung große Folgen für die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse der Gesellschafterversammlung haben kann. Ein aktuelles Urteil (LG Darmstadt, Urteil vom 4.3.2024 – 18 O 34/21, nicht rechtskräftig) führt eine dieser Kleinigkeiten vor Augen und zeigt noch einmal deutlich, dass im Gesellschafterstreit der Anwalt als Profi gefordert ist.

Gesellschaftsvertrag der Gesellschaft (hier: OHG)

Im Fall des LG Darmstadt ging es um eine Familiengesellschaft, konkret eine OHG (Offene Handelsgesellschaft). An der Gesellschaft beteiligt waren der Vater und seine beiden Söhne. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass Entscheidungen der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit getroffen werden können. Dabei hatte der Vater 60 Stimmen und die beiden Söhne jeweils 20 Stimmen. Der Gesellschaftsvertrag sah zudem vor, dass alle Gesellschafter bei der Beschlussfassung beteiligt sein müssen (damit die Beschlüsse wirksam sind).

Vertretung in streitigen Gesellschafterversammlungen

Aufgrund diverser Vorfälle entbrannte ein Streit unter den drei Gesellschaftern. Dieser gipfelte in mehrere streitigen Gesellschafterversammlungen. Der Vater (Mehrheitsgesellschafter) konnte aufgrund gesundheitlicher Probleme an den Gesellschafterversammlungen nicht teilnehmen. Er ließ sich deshalb durch einen Anwalt vertreten. Dies tat er, weil er Angst vor Streitigkeiten und den damit verbundenen emotionalen Belastungen hatte.

Einer der Söhne war mit der Vertretung seines Vaters in der Gesellschafterversammlung durch den Anwalt nicht einverstanden. Er bemängelte die Abwesenheit des Vaters und akzeptierte auch die vorgelegte Vollmacht des Anwalts nicht. Der Sohn klagte vor Gericht und bekam Recht. Das Gericht erachtete alle Beschlüsse der Gesellschafterversammlung für unwirksam!

Hintergrund: Höchstpersönliche Gesellschafterrechte in GbR, OHG und KG

Die OHG gehört zu den Personengesellschaften, wie auch die GbR (BGB-Gesellschaft) und die KG. Kennzeichnend für diese ist - so zumindest des Theorie -, dass die Gesellschafter eine enge persönliche Beziehung haben und eine persönliche Mitarbeit in der Gesellschaft erfolgt. Weiteres Merkmal ist die persönliche Haftung (Haftung mit dem Privatvermögen) der Gesellschafter. So erfasst die Haftung der Gesellschafter einer GbR und OHG sowie der Komplementäre einer KG deren gesamtes Privatvermögen.

Vertretung und Begleitung in der Gesellschafterversammlung

Genau diese Aspekte sind es, die das LG Darmstadt und vor langer Zeit auch den BGH (Urteil vom 01.12.1969, Az. II ZR 14/68) dazu bewogen haben, in Personengesellschaften eine persönliche Stimmabgabe zu verlangen und im Umkehrschluss eine Vertretung bei der Stimmabgabe als unzulässig anzusehen. So führt das Gericht vorliegend aus:

„Gerade in einer personalistisch geprägten Familiengesellschaft haben die Gesellschafter im Regelfall die berechtigte Erwartung, dass Angelegenheiten der Gesellschaft in einem persönlichen Gespräch beraten und diskutiert werden, und es gerade die Mitgesellschafter sein werden, die in einen persönlichen Austausch treten.“

Davon zu trennen ist die Frage, inwiefern sich der Gesellschafter einer GbR, OHG oder KG von einer dritten Person, zum Beispiel von einem Rechtsanwalt, bei einer streitigen Gesellschafterversammlung begleiten lässt. Gräbt man sich etwas tiefer in die gerichtlichen Entscheidungen und die Fachliteratur ein, wird man ein „Recht auf Begleitung“ im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (neudeutsch „fair“) annehmen können.

Für die Praxis – Gesellschaftsvertrag lesen (und anpassen)!

Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Regelungen im Gesellschaftsvertrag genau zu lesen und das „ungeschriebene Recht“ zu kennen. Gerade wenn es um Vertretungsrechte und Begleitungsrechte in der Gesellschafterversammlung geht, kann es rasend schnell zu Streitigkeiten kommen.

In Friedenszeiten ist zu überdenken, einen unpassenden und lückenhaften Gesellschaftsvertrag anzupassen. Nur so lassen sich rechtliche Unwägbarkeiten – die oft zu Lasten aller Beteiligten gehen – vermeiden. Ganz besonders gilt das im Gesellschafterstreit von GbR, OHG, KG und GmbH & Co. KG.

Last but not least: Auf einen Gesellschafterstreit sollte man sich vorbereiten und dabei keine Mühe bei der rechtlichen und taktischen Vorbereitung der Gesellschafterversammlung scheuen. Es lohnt sich!