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Stimmverbot bei Entlastung des Geschäftsführers

Klage gegen Entlastungsbeschluss

Die Versuchung ist groß, dass Geschäftsführer sich selbst entlasten. Dies gilt nicht nur bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern auch für Fremd-Geschäftsführer in Holding- und Konzernstrukturen. Doch funktioniert die Selbstentlastung?

Veröffentlicht am: 09.01.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Die Entlastung des Geschäftsführers ist von der gesetzgeberischen Idee ein zentraler Bestandteil der einmal jährlich stattfindenden „ordentlichen“ Gesellschafterversammlung (wobei „ordentlich“ am besten als „normal“ zu übersetzen ist). 

Die Gesellschafter sollen einmal jährlich den Jahresabschluss der GmbH feststellen und in diesem Zusammenhang auch ein Urteil darüber fällen, ob die Geschäftsführer im Wesentlichen ordnungsgemäß gehandelt haben. Und genau dieses Urteil ist die Entlastung.

Mit dem Entlastungsbeschluss billigen die Gesellschafter der GmbH die Geschäftsführung der Geschäftsführer. Rechtlich kann die Entlastung daher eine weitreichende Wirkung haben: Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer wegen Pflichtverletzungen werden in der Regel ausgeschlossen, soweit diese den Gesellschaftern bekannt waren oder diesen bekannt sein mussten. Das erscheint alles simpel und logisch.

Welche Probleme sich aber in der Praxis bei der Entlastung auftun können, zeigt ein aktuelles Urteil des LG Ingolstadt (Urteil vom 27.09.2024, Az. 1 HK O 1036/23).

Entlastung Geschäftsführer in der Tochtergesellschaft

Im Fall des LG Ingolstadt ging es um die Anfechtung von Beschlüssen einer GmbH-Gesellschafterversammlung, darunter Entlastungsbeschlüsse für die beiden Geschäftsführer A und B. Die Geschäftsführer A und B waren zugleich Vorstände des Mehrheitsgesellschafters (X-AG) der GmbH.

In der Gesellschafterversammlung der GmbH kam es zur Abstimmung über eine Einzelentlastung der Geschäftsführer. Bei der Entlastung von A stimmte B als Vertreter der X-AG für die Entlastung von A. Bei der Entlastung von B stimmte dann A als Vertreter der X-AG für die Entlastung von B. Im Übrigen wurde zudem ein Beschluss gefasst über die Zustimmung der Gesellschafterversammlung zum Abschluss eines Vertrages, den die beiden Geschäftsführer für die GmbH verhandelt hatten.

Der klagende Gesellschafter bemängelte die genannten Beschlussfassungen. Unter Verweis auf ein Stimmverbot der Geschäftsführer A und B forderte er im Wege der Klage die Nichtigerklärung der entsprechenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung. Hintergrund seines Vorgehens waren von ihm benannte konkrete Maßnahmen, welche die Geschäftsführer A und B gemeinsam vorgenommen hatten.

Stimmverbot für Gesellschafter (§ 47 GmbHG) – Kein Richter in eigener Sache

Das GmbH–Gesetz bestimmt in § 47 Abs. 4 GmbHG, dass ein Gesellschafter in bestimmten Konstellationen keine Stimmrechte hat bzw. ihm eine Stimmrechtsausübung „verboten“ ist. Dort heißt es wörtlich:

„Ein Gesellschafter, welcher durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, hat hierbei kein Stimmrecht und darf ein solches auch nicht für andere ausüben. Dasselbe gilt von einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegenüber einem Gesellschafter betrifft.“

Sehr vereinfacht gesprochen geht es also um folgende Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, bei denen ein Gesellschafter kein Stimmrecht hat:

  • Entlastung des Gesellschafters als Geschäftsführer
  • Befreiung des Gesellschafters von einer Verbindlichkeit gegenüber der GmbH („Erlass von Schulden“)
  • Abschluss eines Vertrages zwischen dem Gesellschafter und der GmbH
  • Klage der GmbH gegen den Gesellschafter
  • Beilegung eines Rechtsstreits zwischen GmbH und Gesellschafter.

Hintergrund der Entscheidung des Gesetzgebers, dem Gesellschafter die Ausübung seines Stimmrechts in diesen Konstellationen zu verbieten, ist der Gedanke des Richtens in eigener Sache. Kein Gesellschafter soll Richter in eigener Sache sein.

Stimmverbot für Geschäftsführer des Gesellschafters?!

Im Fall des LG Ingolstadt war es so, dass der Gesellschafter (X-AG) nicht selbst Geschäftsführer war und insofern eigentlich keinem Stimmverbot unterlag. Allerdings war die Person, die als Vertreter des Gesellschafters das Stimmrecht des Gesellschafters beim Beschluss über die Entlastung ausübte, der zu entlastende Geschäftsführer. Es entspricht wohl allgemeiner Auffassung, dass in derartigen Konstellationen ein Stimmverbot vorliegt. Vereinfacht gesprochen. Der Geschäftsführer einer Tochter-GmbH, der zugleich Geschäftsführer der Mutter-GmbH ist, kann sich in der Gesellschafterversammlung der Tochter-GmbH nicht selbst entlasten.

Stimmverbot trotz Einzelentlastung?

Den Geschäftsführern der GmbH war dieses „Problem“ bekannt. Sie versuchten dieses dadurch zu lösen, dass eine Entlastung eines jeden einzelnen Geschäftsführers durch den jeweils anderen Geschäftsführer erfolgt. Das Gericht erteilte dem Vorgehen der Geschäftsführer im konkreten Fall eine Absage.

Die Geschäftsführer A und B hätten die vom Kläger namentlich benannten Maßnahmen, derentwegen der Kläger keine Entlastung erteilen wollte, gemeinsam vorgenommen. Die Geschäftsführer würden somit im „gleichen Boot sitzen“ und könnten sich daher nicht im Weg einer Einzelentlastung gegenseitig entlasten. Das Gericht gab insofern dem klagenden Gesellschafter recht und erklärte die Entlastungsbeschlüsse betreffend die Geschäftsführer A und B für nichtig. A und B wurden somit nicht entlastet.

Keine pauschalen Antworten bei Fragen zum Stimmverbot 

Die Entlastung von Geschäftsführern führt in der Praxis häufig zu komplexen Fragestellungen. Dies gilt einerseits für Konzernsachverhalte, in denen die betroffenen Geschäftsführer – wie so oft – auch Vertreter einzelner Gesellschafter der GmbH sind. Dies gilt andererseits auch für Situationen, in denen eine nur irgendwie geartete mittelbare Betroffenheit des abstimmenden Gesellschafters gegeben ist. So im Fall des Abschlusses eines Vertrages mit einer Gesellschaft, an welcher der Gesellschafter (mittelbar) beteiligt ist… Allen entsprechenden Sachverhalten ist gemein, dass eine pauschale Antwort nur selten möglich ist. Ein genauerer Blick ist leider notwendig.