Neue Verteidigungslinien bei Geschäftsführerhaftung
Haftungsbefreiung durch Einverständnis der Gesellschafter?
Kann ein Einverständnis der Gesellschafter kann die Haftung des Geschäftsführers unter bestimmten Voraussetzungen ausschließen, selbst wenn ein Gesellschaftterbeschluss fehlt.
Der Bundesgerichtshof hat mit dem Beschluss vom 08.02.2022 (Az. II ZR 118/21) zu der spannenden Frage Stellung bezogen, ob die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers durch ein Einverständnis der Gesellschafter zu der schädigenden Handlung ausgeschlossen werden kann.
In dem zugrundeliegenden Fall nahm eine UG & Co. KG den ehemaligen Geschäftsführer auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch. Der Geschäftsführer beglich Verbindlichkeiten der Gesellschaft, ohne einen Gesellschafterbeschluss einzuholen, obwohl im Gesellschaftsvertrag ein Zustimmungsvorbehalt enthalten war. Der Geschäftsführer hätte also die Schulden nur dann zahlen dürfen, wenn die Gesellschafter dies durch Beschluss freigegeben hätten.
Wann macht sich der Geschäftsführer schadensersatzpflichtig?
Im GmbH-Recht muss der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes bzw. die einer ordentlichen Geschäftsfrau anwenden (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Der Haftungsmechanismus ist dann ein ganz einfacher: Wer als Geschäftsführer seine Pflichten verletzt, haftet der Gesellschaft dann für den entstandenen Schaden nach § 43 Abs. 2 GmbHG.
Keine Geschäftsführerhaftung bei Einverständnis der Gesellschafter?
Die Geschäftsführerhaftung kann im Einzelfall trotz schädigender Handlung entfallen. Wenn kein Schutzbedürfnis der Gesellschaft besteht, kann die Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers ausgeschlossen werden.
Dies gilt auch für den Fall einer UG & Co. KG oder einer GmbH & Co. KG. Grundsätzlich ist die KG bei allen verursachten finanziellen Schäden schutzbedürftig, wenn die Komplementärin ausschließlich oder wesentlich dazu da ist, die Geschäfte der KG zu führen. Durch diese in der Praxis vorzufindende gesellschaftsrechtliche Gestaltung gibt die KG die geschäftlichen Tätigkeiten ab. Werden nun die Gesellschafter, die ein Einverständnis gegenüber dem Geschäftsführer der Komplementärin erklärt haben, geschädigt, so gilt Folgendes: Durch ihr Einverständnis läuft der Schutzzweck leer und die Geschäftsführerhaftung anfällt.
Anforderungen an das haftungsausschließende Einverständnis
Der Entfall der Schutzbedürftigkeit ist einfach zu begründen, wenn sämtliche Gesellschafter ausdrücklich und schriftlich ihr Einverständnis gegenüber dem Geschäftsführer erklärt haben.
Schwieriger ist der Fall zu beurteilen, in dem die Gesellschafter sich nicht mündlich oder schriftlich klar geäußert haben, sondern nur ein stillschweigendes Einverständnis in Frage kommt. Grundsätzlich entfällt die Geschäftsführerhaftung nicht schon dann, wenn alle Gesellschafter Kenntnis von der haftungsbegründenden Handlung hatten. Ein Geschäftsführer darf grundsätzlich von der Kenntnis der Gesellschafter nicht zwingend auch auf deren Einverständnis schließen.
Gleichwohl lehnt der BGH die von der Literatur zum Teil verlangten hohen Anforderungen an ein stilles Einverständnis der Gesellschafter ab. Stattdessen könne bei Hinzutreten weiterer Umstände eine zumindest stillschweigende Übereinkunft sämtlicher Gesellschafter über eine Handlung anzunehmen sein, wenn der Geschäftsführer in Anbetracht des Sach- und Kenntnisstands der Gesellschafter bis zu einer anderslautenden Weisung berechtigterweise von deren Einverständnis ausgehen durfte. Um dies zu beurteilen, sei eine umfassende Würdigung aller wesentlicher Umstände im jeweiligen Einzelfall notwendig.
Die Beweislast für die Zustimmung der Gesellschafter - so der BGH - liege beim Geschäftsführer. Dafür stehen ihm die Beweismittel des Strengbeweisverfahrens der ZPO zur Verfügung.
Bewertung der Rechtsprechung und Anwaltstipps
Die Frage, ob sich der Geschäftsführer seines Haftungsrisikos, insbesondere bei engen Zustimmungserfordernissen, entledigen kann, weil ihm durch die Gesellschafter, zwar ohne förmlichen Beschluss, aber stillschweigend, gedeutet wird, dass das Geschäft „schon Ok“ sei, stellt sich in der Praxis sehr oft.
Der BGH hat mit seiner Entscheidung die Anforderungen an ein haftungsausschließendes Einverständnis der Gesellschafter konkretisiert. Einer zu strengen Handhabung mit dem Haftungsausschluss wurde höchstgerichtlich nun eine Absage erteilt. Auch wenn keine für jeden Fall fassbaren, formellen Anforderungen für den Haftungsausschluss formuliert wurden, wird die Gerichtsentscheidung den Interessen der Geschäftsführer Rechnung tragen.
Für die Praxis kann aus der Entscheidung gefolgert werden, dass eine stille Billigung durch die Gesellschafter für den Geschäftsführer einen Haftungsausweg begründen kann. Allerdings liegt die Beweislast beim Geschäftsführer und das Gericht wird die Sachlage immer im Einzelfall würdigen. Die BHG-Entscheidung ist alles andere als ein Freischein, die der Geschäftsführer wird immer ziehen können.
Der Geschäftsführer sollte daher zwingend immer wissen, wann Zustimmungsvorbehalte greifen. Er sollte sich dann auf keine Risiken einlassen und immer einen förmlichen Gesellschafterbeschluss abfordern, wenn Zustimmungsvorbehalte greifen. Wenn ausnahmsweise im Eilfall tatsächlich einmal keine Zeit für einen formellen Gesellschafterbeschluss bleibt, sollten zwingend ausdrückliche Einverständniserklärungen von allen Gesellschaftern angefordert und dokumentiert werden, um dies vor einem Gericht eindeutig nachweisen zu können.
Weitere Hintergrundinformationen zum umfassenden Thema Geschäftsführerhaftung finden Sie hier: Leitfaden zur Geschäftsführerhaftung