Haftungsfalle „faktische Geschäftsführung“

Strategien zur Haftungsvermeidung

Gesellschafter von mittelständischen Unternehmen stolpern immer wieder in die Haftungsfalle der faktischen Geschäftsführung. Wie diese Haftungsfigur funktioniert, welche Risiken entstehen können und wie man diese Haftung vermeidet, wird in diesem Beitrag dargestellt.

Veröffentlicht am: 19.08.2024
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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In Kapitalgesellschaften gilt der Grundsatz, dass die Gesellschafter nicht für die Risiken des Unternehmens mit ihrem Privatvermögen haften. Diese Haftungsbegrenzung wird neutralisiert, wenn sich herausstellt, dass ein Gesellschafter als sogenannter faktischer Geschäftsführer gesteigerte Verantwortung im Unternehmensmanagement übernommen hat.

Das oft unerkannte Haftungsrisiko

In KMUs und Familienunternehmen ist die Grenze zwischen eigentlichem Gesellschafterinteresse und operativer Einflussnahme oft fließend. Gesellschafter, die sich aktiv in die Unternehmensführung einmischen, ohne formell als Geschäftsführer bestellt worden zu sein, laufen Gefahr, als faktische Geschäftsführer eingestuft zu werden. Dieses Risiko wird in der Praxis häufig übersehen.

Die Rechtsprechung hat die Figur des faktischen Geschäftsführers geschaffen, um sicherzustellen, dass Personen, die de facto wie Geschäftsführer handeln, auch wie solche haften. Besonders in Krisensituationen, wenn Gesellschafter gesteigerte Verantwortung übernehmen und versuchen, das Unternehmen zu retten, droht die Haftung mit dem persönlichen Vermögen.

Reichweite der Haftungsgefahren des faktischen Geschäftsführers

Die Gefahren für faktische Geschäftsführer sind weitreichend und umfassen sowohl die zivilrechtliche als auch strafrechtliche Haftung. Faktische Geschäftsführer haften wie formell bestellte Geschäftsführer für sämtliche Handlungen und unternehmerische Entscheidungen, die sie treffen.

Das bedeutet etwa, dass auch der faktische Geschäftsführer zur Insolvenzantragstellung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet ist. Die Verletzung dieser Pflicht kann zu erheblichen Schadensersatzforderungen führen, die im Falle eines Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter rigoros verfolgt werden.

Neben diversen zivilrechtlichen Haftungsgefahren, muss der faktische Geschäftsführer auch mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn er gegen gesetzliche Geschäftsführerpflichten verstößt. Wie weit der Arm der Staatsanwaltschaft bei faktischer Geschäftsführung reicht, illustrierte die Schlecker-Pleite. Die Kinder von Anton Schlecker handelten nach der Einschätzung des Gerichts als faktische Geschäftsführer und wurden zu einer empfindlichen Gefängnisstrafe verurteilt.

Top 3-Strategien der Haftungsvermeidung

Die beschriebenen Haftungsrisiken lassen sich durch umsichtiges Verhalten reduzieren oder sogar komplett ausschließen. Dazu müssen einige wichtige Regeln beachtet werden. Die wichtigsten Strategien der Haftungsvermeidung sind:

  1. Um die Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Gesellschafter im Unternehmen eine klare Trennung zwischen ihrer Rolle als Gesellschafter und der Geschäftsführung wahren. Es ist entscheidend, dass nur die formell bestellten Geschäftsführer die operative Leitung übernehmen. Empfehlenswert ist eine sorgfältige Dokumentation der Entscheidungsprozesse, um in einem etwaigen gerichtlichen Haftungsverfahren nachweisen zu können, dass die Leitungsverantwortung beim formellen Geschäftsführer lag.
  2. Des Weiteren ist wichtig, dass der Gesellschafterkreis über eine gewisse juristische Bildung verfügt. Jeder Gesellschafter sollte sich über die Risiken der Unternehmensführung und der Grundstrukturen der Managerhaftung informiert halten. Insbesondere in Familiengesellschaften bieten sich laufende Workshops und Seminare zum Gesellschafts-, Handels-, Steuer- und Insolvenzrecht an.
  3. Der letzte Aspekt betrifft die Maßnahmen zur Vermögenssicherung, die nicht kurz vor einer Insolvenz durchgeführt werden dürfen. Vermögensverschiebungen in der Unternehmenskrise führen in die zivil- und strafrechtliche Haftung wegen Gläubigerbenachteiligung und zu anderen Konkursstraftaten. Das Thema Asset Protection muss von langer Hand geplant und umgesetzt werden. Kurzfristige Vermögensverschiebungen rufen die Staatsanwaltschaft auf den Plan.

Haftungsbegrenzung durch D&O-Police

Neben der genannten Top-3-Haftungsvermeidungsstrategien stellt auch die Directors-and-Officers-Versicherung (D&O-Police) ein wichtiges Instrument zur Haftungsbegrenzung dar. Diese Versicherung kann die persönliche Haftung auch von faktischen Geschäftsführern abdecken, insbesondere wenn sie in Krisenzeiten unerwartet Verantwortung übernehmen müssen.

Allerdings deckt die D&O-Police nicht alle Risiken ab, insbesondere nicht bei vorsätzlichem Fehlverhalten oder schwerwiegender Fahrlässigkeit. Daher ist es essenziell, den genauen Umfang des Versicherungsschutzes sowie die oben beschrieben Haftungsszenarien zu kennen.

Anwaltlicher Ausblick

Die Haftungsfigur des faktischen Geschäftsführers wird in der Praxis weiterhin eine bedeutende Rolle spielen, insbesondere in Familienunternehmen und im Mittelstand, wo die Rollen von Gesellschaftern und operativer Führung oft vermischt werden. Zwar werden von den Zivil- und Strafgerichten zum Teil unterschiedliche Maßstäbe bei der Haftungsfigur des faktischen Geschäftsführers angelegt. Eine einmal begründete Haftung ist für den Gesellschafter jedenfalls brutal, wie der Schlecker-Fall gezeigt hat. Eine Haftung als faktischer Geschäftsführer muss daher unbedingt vermieden werden.

Um das Risiko einer persönlichen Haftung zu minimieren, ist eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche unerlässlich. Darüber hinaus sollten regelmäßige Schulungen und eine Sensibilisierung der Gesellschafter für die potenziellen Haftungsrisiken erfolgen. Eine präventive rechtliche Beratung und eine sorgfältige Strukturierung der Unternehmensführung können dabei helfen, die Risiken der faktischen Geschäftsführung erfolgreich zu minimieren und das Privatvermögen zu schützen.