Grunderwerbsteuer nach Kaufpreisherabsetzung
Änderung des Steuerbescheides
Änderung des Steuerbescheides
Ein Beitrag von Dirk Mahler, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Berlin
Grundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuersteuer ist grundsätzlich der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis. Treten nachträglich Änderungen des Kaufpreises ein, sieht § 16 Abs. 3 GrEStG unter bestimmten Voraussetzungen eine Änderung auf Antrag des Steuerpflichtigen ein. Weitere Änderungsmöglichkeiten kommen nach den allgemeinen Regelungen in Frage.
Fraglich war, ob eine Änderung der Grunderwerbsteuer nach Kaufpreisherabsetzung aufgrund einer vertraglich vereinbarten Anpassungsklausel nach den allgemeinen Regeln vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen der besonderen Änderungsregelungen nicht gegeben sind.
Hierüber hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 22.07.2020 (Aktenzeichen Az. II R 32/18) zu entscheiden.
Hintergrund der Entscheidung des BFH
Die Klägerin erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag von einer GmbH Ackerflächen, Grünland, Wald und sonstige Flächen zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von ca. 1 Mio. Euro. Der Vertrag sah dabei ausdrücklich eine Kaufpreisanpassungsklausel zu Gunsten der Klägerin vor.
Unter Berücksichtigung des Kaufpreises setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Ein Vorbehalt der Nachprüfung, eine Vorläufigkeit des Steuerbescheides oder ähnliche Nebenbestimmungen sind nicht ergangen und der Bescheid wurde nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bestandskräftig.
Nach Eintritt der Bestandskraft und ca. 7 Jahre nach dem Kaufabschluss entschied ein Gericht in einem Verfahren zwischen der Käuferin und der verkaufenden GmbH, dass der Kaufpreis um ca. EUR 130.000 zu hoch gewesen sei. Die Verkäuferin erstattete der Käuferin daraufhin den Differenzbetrag.
Daraufhin beantragte die Klägerin beim Finanzamt die Herabsetzung der festgesetzten Grunderwerbsteuer unter Berücksichtigung des verringerten Kaufpreises. Nachdem das Finanzamt diese Begehren zunächst ablehnte entschied das Finanzgericht zugunsten der Klägerin. Zwar lägen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GrEStG nicht vor, es sei jedoch ein sogenanntes „rückwirkendes Ereignis“ im Sinne des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO gegeben, sodass der Bescheid nach dieser Rechtsgrundlage zu ändern sei.
Entscheidungsgrundlagen
Eine Änderungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 3 GrEStG ist gegeben, wenn die Herabsetzung innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet oder zivilrechtliche Mängel zur Herabsetzung des Kaufpreises geführt haben. Beide Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Insbesondere erfolgte die Kaufpreisänderung erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt.
Eine Korrektur von Steuerbescheiden ist nach allgemeinen Regeln des Steuerrechts unter anderem dann möglich, wenn ein sogenanntes „rückwirkendes Ereignis“ eintritt. Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem diese Norm steht, ergibt sich, dass der Begriff Ereignis alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge umfasst. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge. Das Ereignis muss ferner stattfinden, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und für die Fälle der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die nach dem Steuertatbestand rechtserhebliche Sachverhaltsänderung muss sich steuerlich in die Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, dass nunmehr der veränderte an Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Ertragsteuerrechtlich wäre das spätere Urteil unzweifelhaft ein rückwirkendes Ereignis im Sinne dieser Norm.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat hingegen geurteilt, dass es sich bei § 16 Abs. 3 (in Verbindung mit Absatz 4) Grunderwerbsteuergesetz um eine spezialgesetzliche Vorschrift handelt, welche die Anwendung der allgemeinen Korrekturvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO im Ergebnis ausschließt.
Die Einordnung als rückwirkendes Ereignis hat dabei nach dem jeweiligen materiellen Recht zu erfolgen. Die ertragsteuerrechtliche Einordnung als rückwirkendes Ereignis könne daher nach Ansicht des BFH nicht für das Grunderwerbsteuergesetz übernommen werden. Grundlage für die Beurteilung nach dem Grunderwerbsteuergesetz sei § 16 Abs. 3 GrEStG.
Da auch andere Korrekturmöglichkeiten nicht einschlägig waren, wurde der Antrag auf Änderung abgelehnt.
Folgen der Urteils
Die Entscheidung des BFH ist nicht zwingend und die unterschiedliche Qualifikation von rückwirkenden Ereignissen nach dem Ertragsteuerrecht und dem Grunderwerbsteuerrecht noch relativ neu (siehe auch BFH v. 4.11.2019 – BFH Aktenzeichen II B 48/19 II B 48/19, BFH/NV 2020, 182).
Hierdurch ergeben sich in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten. Soweit ein Kaufvertrag eine Kaufpreisänderungsklausel enthält und eine Änderung demnach infrage kommt, sollte seitens des Steuerpflichtigen bzw. dessen Beraters darauf gedrungen werden, dass ein Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassen oder mit einem Vorläufigkeitshinweis versehen wird. Doch auch in solchen Fällen kann nicht unbedingt gewährleistet werden, dass die Änderung nachträglich berücksichtigt werden kann, da Festsetzungsverjährung eintreten könnte bevor es zur Anpassung kommt.