Geschäftsgeheimnisse des Geschäftsführers
Herausgabe bei Kündigung und Abberufung
In unserer Wissensgesellschaft ist der Schutz unternehmensinterner Informationen von wesentlicher Bedeutung. Er entscheidet nicht selten über das „Wohl und Wehe“ des Unternehmens. Doch leider führt der Schutz oft ein Schattendasein.
Wenn sich der Geschäftsführer und seine GmbH „auseinandergelebt“ haben, stehen – mehr oder weniger unausweichlich – Kündigung und Abberufung auf der Agenda. Das Drama geht dann aber meist erst richtig los, insbesondere wenn es wichtige Gründe für eine außerordentliche Trennung gab.
Doch unabhängig von der Freiwilligkeit von Kündigung und Abberufung stehen die Themen Wettbewerbsverbot und Geschäftsgeheimnisse im Fokus von Geschäftsführer und GmbH. Ein aktuelles Urteil des LAG Niedersachsen (Urteil vom 9.2.2024 – 14 Sa 495/23) zeigt, dass die GmbH und deren Gesellschafter insbesondere das Thema „Geschäftsgeheimnis“ nicht unterschätzen und vernachlässigen sollten.
Schutz von Geschäftsgeheimnissen, Betriebsgeheimnissen, Know-How & Co
Das GmbHG benennt für den Geschäftsführer keine ausdrücklichen Pflichten zur Geheimhaltung, Verschwiegenheit oder Vertraulichkeit. Es ist jedoch völlig unbestritten, dass auch der Geschäftsführer Stillschweigen über Belange der GmbH zu wahren hat. Überträgt man die Regelungen des Aktienrechts (Vorstand) auf den Geschäftsführer, so kann man formulieren:
„Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den [Geschäftsführern] durch ihre Tätigkeit [in der Geschäftsführung] bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.“
Von dieser Verschwiegenheitspflicht werden mithin („nur“) Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erfasst. Unter diese Begriffe fallen – vereinfacht gesprochen – alle Umstände, die
- nicht offenkundig sind, das heißt solche, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind, und
- an deren Geheimhaltung die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse (objektiv) hat.
Die Verschwiegenheitspflicht obliegt dem Geschäftsführer über das Ende des Geschäftsführeramtes bzw. Geschäftsführervertrages hinaus. Die Pflicht gilt mithin auch ohne besondere Vereinbarung nachvertraglich.
Haftung des Geschäftsführers wegen Verletzung der Geheimhaltung
Verletzt der Geschäftsführer seine Verschwiegenheitspflicht, so kann die Gesellschaft je nach Situation die üblichen Ansprüche gegenüber dem Geschäftsführer geltend machen und auch gerichtlich durchsetzen (Schadensersatz, Unterlassen, Eintrittsrecht, Auskunft, etc.). Die Haftung des Geschäftsführers erstreckt sich hier wie üblich auf sein gesamtes Privatvermögen.
Neben diese zivilrechtliche Verantwortlichkeit tritt die strafrechtliche Verantwortlichkeit. So bestimmt § 85 Abs. 1 GmbHG:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats oder Liquidator bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart.“
Geheimhaltung, Geschäftsgeheimnisgesetz und Geschäftsführerpflicht
Rechtlich unsicher ist nach wie vor, inwiefern die vom Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) eingeführte Definition für den Begriff „Geschäftsgeheimnis“ auch für das GmbH-Recht maßgeblich ist.
Warum ist das relevant? Nun, das Geschäftsgeheimnisgesetz setzt begrifflich für ein Geschäftsgeheimnis voraus, dass der betreffende geheimhaltungsbedürftige Umstand durch entsprechende interne Maßnahmen der GmbH auch geschützt wurde. Hat die GmbH keine Maßnahmen ergriffen, liegt nach der Definition des GeschGehG per se kein Geschäftsgeheimnis vor. Mit anderen Worten: Ergreift die GmbH keine „Schutzmaßnahmen“ so liegt kein Geschäftsgeheimnis vor, das der Geschäftsführer oder ein Arbeitnehmer verletzen könnte.
Auch aufgrund dieser rechtlichen Unsicherheiten empfiehlt es sich für jede GmbH, sachlich angemessene Maßnahmen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen zu ergreifen. Letzteres ist selbstredend die Pflicht der Geschäftsführung (mit den entsprechenden Haftungsrisiken für den Geschäftsführer).
Gericht – Herausgabe von Daten, Betriebsgeheimnissen und Geschäftsgeheimnissen
In dem eingangs erwähnten Fall des LAG Niedersachsen forderte die GmbH vom Beklagten bei Gericht die Herausgabe der betrieblichen Daten und aller Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nebst der Löschung und Versicherung der Vollständigkeit an Eides statt sowie dessen Absicherung durch ein Ordnungsgeld.
Das Landesarbeitsgericht lehnt das Begehren der klagenden GmbH im konkreten Fall ab. Zur Begründung führte es an, dass die GmbH es versäumt habe, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse konkret zu benennen. Im Übrigen bemängelte das Gericht, dass die GmbH nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um die sensiblen Informationen vor dem Zugriff zu schützen.
Schutz vor „Diebstahl“ von Daten, Betriebsgeheimnissen, Geschäftsgeheimnissen
Das Urteil des LAG Niedersachsen wirft deutlich die Frage auf, was eine GmbH (und damit der Geschäftsführer) tun sollte, um sich vor dem Diebstahl von Daten, Betriebsgeheimnissen sowie Geschäftsgeheimnissen bei Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers zu schützen.
Die Beantwortung ist in der Praxis nicht immer einfach, da diese ganz wesentlich von dem Unternehmen, der Unternehmensstruktur, der Branche und den beteiligten Personen abhängt. Begonnen werden sollte – gegebenenfalls auf Initiative der Gesellschafter oder des Aufsichtsrates zunächst mit einer Analyse, um die „betriebswesentlichen“ Informationen zu identifizieren. Sodann sollten nach Priorität Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Zu letzteren zählen auch klare Regelungen in den Geschäftsführerverträgen betreffend den Umgang mit sensiblen Daten – während der Vertragslaufzeit und nach Abberufung / Kündigung.
Hinweis: Im genannten Fall des LAG Niedersachsen war der Beklagte nicht Geschäftsführer, sondern Arbeitnehmer der GmbH.