Die Buchwertklausel bei der Abfindung von Gesellschaftern
Rechtmäßigkeit von Abfindungsbeschränkungen auf den Buchwert
In Gesellschaftsverträgen sind Abfindungen zum sog. Buchwert für den Fall des Austritt eines Gesellschafters mittlerweile Gang und Gäbe. Tatsächlich bereiten die in der Praxis häufig anzufindenden Buchwertklauseln aber häufig Schwierigkeiten, wenn dann tatsächlich jemand aus der Gesellschaft austritt. Denn die Beurteilung der Unwirksamkeit von Abfindungsklauseln ist aufwändig und rechtlich nicht unproblematisch.
Was umfasst der Buchwert?
Nach einer Buchwertklausel erhält ein ausscheidender Gesellschafter – ob nun beim Austritt aus der GmbH oder dem Ausscheiden aus einer GbR – in der Regel sein Guthaben auf den Kapitalkonten und auf allen sonstigen in der Bilanz ausgewiesenen Positionen mit Rücklagencharakter in Höhe des ihm zustehenden Anteils.
Ganz vereinfacht ausgedrückt bedeutet eine „Buchwertklausel“ vor allem folgendes: Die Gesellschaft hat regelmäßig Anlage- und Barvermögen, wobei das Barvermögen relativ gering ist und Spielraum bei der Bewertung der Höhe quasi nicht existiert. Für Anlagevermögen, sprich Sachwerte, Immobilien oder Wertpapiere, wird nun der Buchwert zugrunde gelegt. Von diesem Gesamtwert werden Schulden und Verbindlichkeiten der Gesellschaft abgezogen und ergeben damit die Höhe des Eigenkapitals der Gesellschaft, anhand dessen der Anteil des Austretenden bestimmt wird.
Der Buchwert für viele Positionen im Anlagevermögen liegt aber weit unter dem Verkehrswert. Bei Immobilien oder Patentrechten wird er beispielsweise in der Regel mit dem Anschaffungswert gleichgesetzt, während bei einem Verkauf unter anderem enorm höhere Werte herauskämen. Diese sog. „stillen Reserven“ werden bei dem Buchwert ausgeschlossen.
Zudem bleibt in der Regel der ideelle Wert des Unternehmens per se unberücksichtigt. Dabei ist dieser, beispielsweise bei Anwalts- oder Arztpraxen, extrem hoch. Er liegt vor allem in einem aufgebauten Ruf oder Kundenstamm. Über den Daumen geschätzt kann man diesen mit dem Umsatz aus dem letzten Geschäftsjahr ansetzen.
Verhältnismäßigkeit der Klausel erforderlich
Vereinfacht gesagt, muss die Abfindung für den Gesellschafter im konkreten Einzelfall – also bei Abstellung auf den einzelnen Gesellschafter in seinen konkreten Umständen – verhältnismäßig sein. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit sind die gegenseitigen Interessen der Beteiligten (der Gesellschaft und des betroffenen Gesellschafters) in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Hierbei sind auf Seite der Gesellschaft folgende Interessen zu berücksichtigen:
- Erhalt der Funktionsfähigkeit der Gesellschaft
- Erhalt der Kapital- und Liquiditätsbasis
- Erleichterung der Berechnung der Abfindung
- Vermeidung einer streitigen Auseinandersetzung
Auf der Seite des Gesellschafters dagegen steht das Interesse an einem adäquaten Wertausgleich für den Verlust seiner Beteiligung in Ansehung seiner bisherigen konkreten Stellung im Unternehmen.
Faktoren für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit
Eine Buchwertklausel ist dann unwirksam, wenn die obigen gegenseitigen Interessen in einem groben Missverhältnis stehen. Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Klausel grundsätzlich wirksam ist – denn nach der Vertragsfreiheit können die Beteiligten per se vereinbaren, was sie möchten – und die Unangemessenheit der Klausel eher die Ausnahme ist.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Klausel stellt die Rechtsprechung auf folgende Maßstäbe beziehungsweise Faktoren ab:
- Abfindungswert in Bezug auf den eigentlichen Verkehrswert
- Abfindungsanlass
- Auszahlungsmodalitäten (z.B. Zeiträume der Auszahlung)
- Art und Umfang der Beteiligung
Eine Gesamtbeurteilung dieser Umstände ergibt dann die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Klausel. Eine feste Klausel für den Abfindungswert gibt es indes nicht. Die Literatur nimmt eine Unangemessenheit bei einer Diskrepanz zum eigentlichen Verkehrswert von über 50% an.
Rechenbeispiel: Der Buchwert beträgt 100.000 EUR, der Verkehrswert 300.000 EUR, damit liegt die Abweichung bei 200/300 = 66,6%.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat aber auch bei einer Diskrepanz von 22% schon ein grobes Missverhältnis im Einzelfall angenommen: In dem konkreten Fall bedurfte der nach 53 Jahren ausgeschiedene Gesellschafter die Abfindung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und die Gesellschaft konnte eine Abfindung zu einer höheren Summe als dem Buchwert ohne weiteres verkraften. Dieses Beispiel zeigt besonders eindeutig, dass es auf den konkreten Einzelfall ankommt und eine pauschale Beurteilung der Buchwertklauseln oft nicht möglich ist.
Folgen: Anfängliche oder nachträgliche Unwirksamkeit?
Für die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Buchwertklausel ist zunächst zwischen der anfänglichen und der nachträglichen Unwirksamkeit zu unterscheiden.
Bei der anfänglichen Unwirksamkeit ist eine Klausel schon von Anfang an unwirksam, weil schon bei Gründung der Gesellschaft (zum Beispiel Sachgründung, ein Gesellschafter bringt sein Unternehmen ein) bzw. Aufnahme der Klausel in den Gesellschaftsvertrag die Abfindung zum Buchwert außer Verhältnis zum eigentlichen Wert der Anteile steht. In diesem Fall ist die Klausel wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB unwirksam. Eine Abfindung erfolgt dann zum vollen Anteilswert.
Bei der nachträglichen Unwirksamkeit ist die Abfindung zum Buchwert erst wegen der zwischenzeitlichen wirtschaftlichen Entwicklung des Geschäftsbetriebes entstanden. Die Klausel ist dann grundsätzlich weiterhin wirksam, nach der Rechtsprechung ist es der Gesellschaft aber wegen des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich darauf zu berufen. Im Ergebnis wird im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung eine Abfindung in angemessener Höhe vorgenommen mit der Argumentation, dass die Parteien dies hypothetisch so gewollt hätten, wenn sie die Unwirksamkeit bei Abschluss des Vertrages gekannt hätten.